Monday, August 07, 2006

Erste Bank Eishockey Liga: Geld schießt keine Tore! Villach, ein Meister der Herzen.

(in Eishockey World #43, Juni/Juli 2006)

Erste Bank Eishockey Liga: Geld schießt keine Tore! Villach, ein Meister der Herzen.

Sehr ausgelassen gestalteten sich die Meisterfeierlichkeiten des EC Pasut VSV. Der Außenseiter aus Villach wies nämlich im Finale die Millionentruppe des EC Red Bulls Salzburg in der „best of seven Serie“ mit 4:2 Siegen in die Schranken und konnte den sechsten Meistertitel der Vereinsgeschichte einfahren. Auch in Punkto Zuseher standen die Villacher (3662 im Schnitt) in dieser Saison ganz oben. Finalgegner Salzburg durfte sich über rund 1000 Besucher mehr als in der letzten Saison freuen und brachte durchschnittlich 2775 Besucher in den nur 3200 Zuseher fassenden Volksagrten.

Die Spielzeit 2005-2006 bot den Eishockeyfans eine ausgeglichene und spannende Saison und mit 3275 Zuschauern pro Spiel wurde auch ein neuer Zuseherrekord aufgestellt. Sogar die Matches von Schlusslichts Graz 99ers erfreuten sich großer Beliebtheit und das obwohl die Grazer nie ernsthaft in den Kampf um einen Semifinalplatz eingreifen konnten. Hauptverantwortlich für die Misere in der Murstadt waren zahlreiche Verletzungen. Beispielsweise schwebte Topscorer Warren Norris, nach einem Bandencheck des Salzburgers Patrick Harand, in Lebensgefahr und konnte das Krankenhaus erst nach Wochen wieder verlassen. Das Verletzungspech führte soweit, dass die 99ers, am 21.12.2005, gegen Salzburg nicht antreten konnten (0:5 Strafverifizierung) und durch ihre Ausnahmesituation einen zusätzlichen Legionärsplatz zugesprochen bekamen. Ein diskussionswürdiger Beschluss der EBEL, die darüber hinaus auch gleich das Legionärskontingent für die nächste Saison auf sieben Fremdarbeiter pro Team aufstockte. In diesen turbulenten Wochen musste Graz-Trainer Mike Zettel den Hut nehmen und wurde durch den Kanadier Bill Stewart ersetzt. Kurios dabei: Zettel fand gegen Ende des Grunddurchgangs bei den Black Wings aus Linz Unterschlupf und wurde auch dort durch Bill Stewart ersetzt.

Die Black Wings aus Linz überraschten ihrerseits mit tollen Leistungen in der Fremde. Zuhause funktionierte das rigorose Defensivsystem weniger gut, doch die Black Wings waren über die gesamte Saison immer in Tuchfühlung mit den Top 4. Vom Titel der besten Auswärtsmannschaft konnten sich die Linzer aber am Ende nur wenig kaufen. Nachdem sie sich vor der letzten Runde des Grunddurchgangs schon mit einem Bein in den Playoffs wähnten, ergatterten die Linzers in den letzten sechs Begegnungen gerade einmal einen Punkt und verspielten noch den Semifinaleinzug.

Der Rekordmeister aus Klagenfurt scheiterte ebenfalls knapp an den Playoffs. Nachdem schlechtesten Saisonstart der Vereinsgeschichte und dem Rauswurf von Trainer Mats Waltin, brachte sein Nachfolger Kevin Primeau den KAC zwar wieder in die Nähe der begehrten Playoffs, doch unter die Top 4 schaffte es der KAC über die ganze Saison hinweg kein einziges Mal. Rauhbein Mike Siklenka stabilisierte, ab Mitte November, die desolate Hintermannschaft, doch auch des „Henkers“ 13 Tore und 32 Assists, bei 206 Strafminuten (Ligaspitze), waren am Ende doch zuwenig. So zogen die Vienna Capitals, der HC Innsbruck und die Teams aus Villach und Salzburg ins Semifinale.

Der Titelverteidiger Vienna Capitals steigerten sich gegen Ende der Regular Season noch beachtlich und schafften es gerade noch sich für das Semifinale zu qualifizieren. Am Ende reichte ein mickriger Punkt um die Teams aus Linz und Klagenfurt auf Distanz zu halten. Dieser rettenden Punkt sorgte allerdings für eine historische Entscheidung, die man sich in Österreich doch lieber erspart hätte.
Was war passiert?
Zum Höhepunkt der Faschingszeit ging das Spiel der Vienna Capitals gegen den VSV nach einem 4:4 ins Penaltyschießen. Beim Stand von 1:2 versenkte der Villacher Topscorer Dany Bousquet seinen Strafstoß, der von WM;-Referee Jonak allerdings annulliert wurde. Günther Lanzinger hätte nach Meinung eines Linesman zum entscheidenden Penalty antreten müssen. Nach zahlreichen Protesten und einem legendären, vom englischen F-Wort dominiertem, Interview von VSV-Trainer Greg Holst, beschloss der Strafsenat der Erste Bank Eishockey Liga das Penaltyschießen am Faschingsdienstag gänzlich neu auszutragen. Was folgte waren Rücktrittsdrohungen von Caps-Coach und Teamtrainer Jim Boni und eine gerichtliche Verfügung, durch welche die Wiener nicht zum Shootout antreten mussten. Grund: Der Strafsenat der EBEL ist für Entscheidungen dieser Art nicht zuständig.

Kurioses Detail: Capitals-Präsident Schmidt war in der vorigen Saison federführend an der Einrichtung dieses Strafsenats beteiligt, der Entscheidungen solcher Art, unabhängig vom Verband bearbeiten sollte. Aufgrund akuter Zeitnot wurde schließlich das Penaltyschießen zwei Tage vor Playoffbeginn beim Stand von 2:1 für die Caps fortgeführt. Der Villacher Günther Lanzinger vergab und das ganze Spektakel war auch schon wieder vorbei.
Schnell vorbei war dann auch der Semifinalauftritt der Vienna Capitals. Die Wiener verloren die best of seven Serie gegen die Red Bulls aus Salzburg, nach fünf Niederlagen, klar mit 1:4. Den einzigen Sieg der Wiener sicherte ein Formalfehler der Salzburger Funktionäre, welche vergessen hatten Neuzugang Patrick Thoresen rechtzeitig anzumelden.

Im zweiten Semifinale traf der Villacher SV auf den HC Innsbruck. Die Innsbrucker Haie kamen nach kleinen Startschwierigkeiten erst zu Halbzeit der Saison voll auf Touren und vor allem „Enfant Terrible“ Todd Elik und Torjäger James Desmarais lehrten den gegnerischen Verteidigungsreihen das Fürchten. Gegen Ende des Grunddurchgangs mussten die Haie aber Bußgeld für ihre geringe Kaderdichte zahlen und schafften den Playoff-Einzug auch erst auf den letzten Abdruck. In einer spannenden Semifinaleserie zeigten die Haie aber wieder Zähne und unterlagen gegen den späteren Meister aus Villach erst in Spiel Sieben der heiß umkämpften Semifinalserie.

Mit dem Momentum des knappen Sieges über Innsbruck startete der VSV dann sensationell in die Finaleserie und führte schon mit 2:0 Siegen. Die Salzburger Millionentruppe steckte allerdings nicht auf und glich nach vier Begegnungen auf 2:2 aus. Wer nun wiederum dachte die Villacher wären am Ende ihrer Kräfte, täuschte sich gewaltig, denn die Blau-Weißen demolierten die Red Bulls in Spiel 5, auswärts, mit 6:2 und fixierten mit einem 3:2 Heimerfolg nach Verlängerung im sechsten Spiel ihren sechsten Meistertitel. Das entscheidende Tor erzielte mit Dany Bousquet natürlich jener Mann, der sich auch die Topscorerkrone der Erste Bank Liga sicherte.

Verdient war der Meistertitel der Blau-Weißen in jeder Hinsicht. Von Red Bull Millionen beflügelt rüsteten die Salzburger nämlich über den Sommer gewaltig auf. Neben Torjäger Frank Banham, Juha Lind, Darby Hendrickson, Greger Artursson und Burke Henry tummelten sich noch die Nationalspieler Andre Lakos, Matthias Trattnig, Martin Ulrich, Marco Pewal und Kapitän Dieter Kalt im Kader der Red Bulls. Weiters ersetzte der lettische Nationalheld Artus Irbe, kurz vor Weihnachten, den enttäuschenden Björn Bjurling und durfte sich wie der eigens für die Playoffs engagierte Norweger Patrick Thoresen (Djurgardens/ SWE) über eine beträchtliche Auffettung der Portokassa freuen.

Gerüchte über die Gehaltsschecks der Superstar gab es viele, genauere Zahlen jedoch nur wenige. Alleine die Verdienste von Dieter Kalt, Trainer Hardy Nilsson und Goalie Artus Irbe übersteigen aber vermutlich einen Großteil des Budgets jedes anderen Bundesligaklubs. Die Superstars der Salzburger galten schon vor dem ersten Saisonauftritt als der „logische Meister“, doch trotz der Armada von hoch bezahlten Stars scheiterte man am Ende doch an etwas, was man mit Geld anscheinend nicht kaufen kann. Eine alte Sportweisheit ist in Villach aktuell in aller Munde. Sie besagt, dass Geld keine Tore schießt und demnach auch keine Meistertitel bringt. Trotzdem ist der EC Salzburg eine große Bereicherung für die Erste Bank Eishockey Liga und es bleibt zu hoffen, dass der Red Bull Geldfluss lange nicht versiegt.

Mit dem sentimentalen Image, dass die VSV-Truppe mit einem wilden Haufen von Postbeamten und anderen Handwerkern, gespickt mit einigen Legionären, den Meistertitel erringen konnte, sollte allerdings auch schleunigst aufgeräumt werden. So billig war die Villacher Mannschaft auch wieder nicht.
An Seite von Topscorer Dany Bousquet gesellten sich seine Landsmänner Marc Brown und Dan Gauthier, der sich vor dem Start des Semifinales aber verletzte. Gauthier galt als Schlachtenlenker der Blau-Weißen. Teammanager Giuseppe Mion konnte seinen Ausfall, mit dem Engagement von Stephane Roy (EHC Visp/ SUI), jedoch sehr gut kompensieren (11 Spiele, 15 Punkte).

Neben der überragenden French-Connection im Angriff konnte sich Trainer Greg Holst, über die ganze Saison hinweg, vor allem auf seine solide Defensivabteilung verlassen. Die Legionäre Mickey Elick und Darrel Scoville, sowie die Oldboys Stewart und Hohenberger bildeten ein teils unüberwindbares Bollwerk und hatten auch großen Anteil an der außergewöhnlichen Performance von Teamtorhüter Gert Prohaska. Dieser spielte die Saison seines Lebens und rangiert mit 92,95% gehaltenen Schüssen auch in der Torhüterstatistik völlig zurecht auf dem ersten Platz.
Motivationskünstler Greg Holst schweißte die Villacher zu einer harmonischen und kompakten Einheit zusammen, welche es verstand in der entscheidenden Phase das Maximum aus sich herauszuholen. Was er diese Saison in Villach zu Wege gebracht hat ist, um seine eigenen Worte zu benutzen, „f…ing nicht normal“. Alles in allem eine sehr beeindruckende Vorstellung des neuen Meisters aus Villach.

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