Monday, March 06, 2006

Torino 2006 – Flops des Eishockeyturniers

(auf www.spoor.ch und www.hockeyweb.de)

Ein spannendes Olympiaturnier ist zu Ende. Wir konnten uns an zahlreichen Superstars, spannenden Spielen und einem doch unerwarteten Olympiasieger erfreuen. www.spoor.ch
lässt das Olympische Eishockeyturnier noch einmal Revue passieren und präsentiert Ihnen die Tops und Flops aus Torino 2006.

Die Flops:

Kanada – Torflaute besiegelt nationale Katastrophe

Die wohl größte Enttäuschung im Olympischen Eishockeyturnier war die Mannschaft aus Kanada. Wenn man bedenkt, dass im propagierten Mutterland des Eishockeysports schon die Auswahl der Mannschaft von den Medien zu einem Staatsereignis aufgepuscht wurde, kann das Auftreten der Ahornblätter in Torino 2006 nur als nationale Katastrophe gedeutet werden.

Für 32 Millionen Kanadier war die Viertelfinalniederlage gegen Russland, und der damit verbundene siebente Rang, jedenfalls eine sehr bittere Pille. Doch in Anbetracht der Leistung in der Vorrunde kam das Ausscheiden des großen Turnierfavoriten gar nicht so überraschend. Kanada besiegte nur die Zwerge aus Italien und Deutschland sowie schwächelnde Tschechen im letzten Gruppenspiel. Das war es dann aber auch schon mit den Siegen der erfolgsverwöhnten Eishockeygroßmacht. Neben der 2:0 Shutout Niederlage gegen die Russen im Viertelfinale schafften es die enttäuschenden Kanadier auch gegen die Schweiz und Finnland (beide Male 0:2) nicht, ein einziges Tor zu erzielen.
Harmlose Angriffsformationen, eine unbewegliche Hintermannschaft und desaströses Powerplay kennzeichneten die kanadische Auswahl beim Olympischen Eishockeyturnier 2006. Einzig die beiden Torhüter Martin Brodeur und Roberto Luongo agierten solide und hielten ihre Mannschaft phasenweise in den Spielen.

In der Hintermannschaft konnten die Ausfälle der Routiniers Scott Niedermayer und Ed Jovanovski nicht kompensiert werden. Besonders ein Spielertyp wie Niedermayer, der durch seine Schnelligkeit und Spielmacherfähigkeiten auch offensiv immer wieder für Gefahr sorgen kann, fehlte den Kanadiern an allen Ecken und Enden.
Ersatzmann Jay Bouwemeester ist schon länger außer Tritt und schloss beim Olympiaturnier nahtlos an seine durchwachse Leistung während der aktuellen NHL-Saison an.
Rob Blake ist eigentlich immer gut für einen Scorerpunkt, doch betrachtet man seine +/- Statistik bei den Colorado Avalanche muss man auch anmerken, dass der Offensivverteidiger traditionell bei sehr vielen Gegentoren auf dem Eis steht. In einem internationalen Wettkampf wusste Blake noch nie wirklich zu überzeugen und enttäuschte auch in Turin 2006. Nur eine Vorlage in sechs Begegnungen.
Kollege Chris Pronger kämpfte beherzt und versuchte immer wieder mit hartem Körpereinsatz den gegnerischen Angreifern beizukommen. Diese Ambitionen endeten allerdings sehr häufig mit einem Aufenthalt in der Kühlbox. Der Verteidiger wirkte hölzern, verursachte einige eklatante Fehler und fiel am ehesten durch sein wüstes Umherdreschen im Spiel gegen die Schweiz auf.
Enttäuschend auch Toronto-Offensivverteidiger Bryan McCabe. In der NHL einer der punktebesten Defensivspieler, beim Olympiaturnier hingegen ohne den nötigen Punch von der Blauen Linie und ohne einen einzigen Scorerpunkt. Ottawa Senators Verteidigungschef Wade Redden agierte wiederum sehr zurückhalten und blieb über weite Strecken ziemlich farblos. Einzig Adam Foote und Robyn Regehr wurden ihrem Ruf als Stay-at-home Verteidiger gerecht und erfüllten die ihnen gestellten Aufgaben eigentlich am besten.

Schon vor dem Turnier munkelte man in nordamerikanischen Medien, dass die Verteidigung womöglich ein wenig zu langsam und unbeweglich sein könnte und es durch den Ausfall von Niedermayer und die Nichtberücksichtigung von Jungstar Dion Phaneuf zu einigen Schwierigkeiten in der Hintermannschaft kommen kann. Dass aber die Effektivität vor dem Tor zum eigentlichen Problem mutierten würde, war beim besten Willen nicht vorhersehbar.

Die hoch bezahlten Topscorer Thornton, Nash, Gagne und Iginla agierten völlig von der Rolle. Allesamt harmlos vor dem Tor und ohne den letzten Einsatzwillen für den Erfolg. Kapitän Sakic, gehandicapt von einem tiefen Cut im Gesicht, spielte zwar bemüht, konnte aber auch nicht die nötigen Impulse setzen.
Das gefürchtete Tampa Bay Lightning Duo mit Lecavallier und St.Louis sowie „Grinder“ Chris Draper total außer Form. Dany Heatley verhungert in der falschen Linie und Scott Bertuzzi, zwar mit bekannter physischer Präsenz im Angriffsdrittel, doch das sollte es mit seinem Auftritt auch schon gewesen sein.
Positive Erscheinungen im Angriff der Kanadier: Shane Doan, Brad Richards und Teamlegende Ryan Smyth. Sie erbrachten die erwarteten Leistungen, doch für die Offensivarmada der Ahornblätter war das eindeutig zuwenig.
Wayne Gretzky muss nun den Kopf hinhalten und die Nichtberücksichtigung der Jungstars Spezza, Staal und Crosby vor der kanadischen Nation rechtfertigen. Damit die erfolgsverwöhnten Kanadier nun nicht zum Curling abwandern, kündigte er jetzt schon an die Schmach in Vancouver 2010 vergessen zu machen. Viel Glück „Great One“ in vier Jahren sind wir schlauer.



USA – Das „Miracle on Ice“ völlig aus den Köpfen
Fast noch schlimmer als den Titelfavoriten Kanada erwischte es das Team der USA. In den Vorrundenspielen ergatterten die US-Boys mit dem Sieg gegen Kasachstan und dem Remis gegen Lettland nur ganze drei Zähler. In den restlichen Spielen, 1:2 gegen Slowakei, 1:2 gegen Schweden, 4:5 gegen Russland setzte es, wie beim 3:4 gegen Finnland im Viertelfinale, zwar äußerst knappe Niederlagen, doch davon kann sich die USA nach dem frühen Ausscheiden auch nichts abbeißen. Platz Acht in der Endtabelle, Scott Gomez und Craig Conroy mit fünf Scorerpunkten auf Platz 28 der Punkteliste – so lautet die durchwachsene Bilanz der US-Truppe beim Olympischen Eishockeyturnier in Turin.
Neben den internen Topscorern Gomez und Conroy traten auch Eric Cole, Brian Rolston, Brian Gionta, Jason Blake und Verteidiger Matthew Schneider phasenweise positiv in Erscheinung. Der Rest der erfahrenen Truppe, vor allem die in die Jahre gekommen Akteure um Mike Modano, Keith Tkachuk und Bill Guerin, enttäuschte allerdings maßlos.
Die US-Boys wirkten über weite Strecken des Turniers lustlos und vermochten es nicht in entscheidenden Momenten noch einen Gang höher zu schalten. Natürlich ist das Viertelfinal-Aus der USA, vom Medienecho her, mit jenem des Nachbars aus Kanada nicht vergleichbar, doch enttäuschend war die Leistung der USA in Torino 2006 allemal.
Von der Mentalität ein Olympisches Wunder vollbringen zu können und den Geist des „Miracle on Ice“ wiederzubeleben war absolut Nichts zu sehen. Die USA verabschiedete sich sang und klanglos aus dem Olympiaturnier und ist in der entscheidenden Pahse auch niemandem abgegangen.


Tschechien – Eine Bronzemedaille die nicht wirklich glänzt
Einen Bronzemedaillengewinner in der Kategorie “Flops” anzuführen grenzt normalerweise an einen schlechten Scherz. Nach dem wirklich nicht berauschenden Olympiaturnier verdient es die Mannschaft der Tschechischen Republik aber durchaus in dieser Kategorie Erwähnung zu finden. Der regierende Weltmeister zeigte in Turin wahre Eishockey-Schonkost. Die teuer bezahlten NHL-Akteure um Superstar Jaromir Jagr holten mit minimalstem Einsatz das Maximum aus dem Turnier und sprangen durchaus glücklich auf das Podium.

Den Siegen gegen Deutschland und Italien standen in der Vorrunde drei Niederlagen gegen Kanada (2:3), Finnland (2:4) und die Schweiz (2:3) gegenüber. Die tschechischen NHL-Profis ließen Spielwitz und Einsatzfreudigkeit vermissen und retteten sich mit zwei glanzlosen und knappen 4:1 Siegen gegen Deutschland und Italien ins Viertelfinale. Nach der Vorrunde waren die Tschechen im Penalty Killing und in Sachen Scoring-Effektivität das jeweils zweitschlechteste Team des ganzen Turniers. Der Ausfall von Star-Torhüter Dominik Hasek (Leistenverletzung) sollte keine gröbere Ausrede sein.

Die hoch gepriesenen Stürmerstars Hejduk, Vyborny und Hemsky waren völlig farblos und auch das New York Rangers Trio Straka, Rucinsky und Jagr konnte nur recht selten entscheidende Impulse setzen. Meist verzettelte sich Jaromir Jagr, immerhin der aktuell führende in der NHL-Punktewertung, in seinen Alleingängen und der Rest des Teams musste zusehen wie der Großmeister trotzdem immer wieder die Scheibe an sich nahm und aus jeder erdenklichen Situation aufs Tor knallte.
Auffallend im Team der Tschechen, die Verteidiger Tomas Kaberle, Pavel Kubina und Marek Zidlicky sowie die jungen Angreifer Martin Erat, Rostislav Olesz und Routinier Vaclav Prospal. Besonders die jungen Stürmer kämpften beherzt und sollten den Superstars in Punkto Mannschaftsdienlichkeit ein Vorbild sein.

Der vierte Platz nach dem Grunddurchgang reichte aber schließlich dennoch für die Playoff-Qualifikation und die Tschechen mussten im Viertelfinale im Bruderduell gegen die noch ungeschlagene Slowakei ran.
Jagr und Co. hatten am 22.02.2006 ihren besten Auftritt und schickten den Nachbarn mit einem 3:1 Erfolg vorzeitig nachhause. Trainer Hadamczik pokerte dabei hoch und ließ den NHL-Star-Torhüter Tomas Vokoun, nach misslungener Vorstellung im letzten Gruppenspiel gegen Kanada, auf der Bank. Gegen harmlose Slowaken erwischte Ersatzmann Milan Hnilicka einen guten Tag und musste die Scheibe nur einmal aus dem Netz fischen. Im Semifinale gegen Schweden hielt der Mann aus Liberec dem Druck aber nicht mehr stand und räumte nach dem 5:1 der Schweden (eigentlich zu spät) wieder das Feld. Da Vokoun, beim 3:0 Sieg gegen die angeknacksten Russen im Spiel um Platz Drei seinen Kasten nach 60 Minuten ohne Gegentreffer verließ, geriet Hadamczik aufgrund seiner Torhüterbesetzung im Semifinale ins Kreuzfeuer der Kritik in der tschechischen Presse.
Das einzige Argument, welches bei diesem Turnier für Tschechien spricht ist das Erringen der Bronzemedaille. Dies wirkt im Endeffekt allerdings sehr stark und rettet Teamchef Hadamczik wahrscheinlich seinen Job. Betrachtet man allerdings den Auftritt der Tschechen im gesamten Turnier wurde vorrangig Eishockey zum Abgewöhnen geboten.


Slowakei – Das Aus nach nur einer Niederlage
Umgekehrt verhält es sich mit dem Nachbarn aus der Slowakei. Die NHL-Armada der Slowaken überzeugte mit einer Galavorstellung in der Vorrunde. Nach dem Auftaktsieg gegen starke Russen (5:3) und den Pflichtsiegen gegen Lettland (6:3) und Kasachstan (2:1) wurde auch die USA (2:1) und Schweden (3:0) in die Schranken gewiesen.
Vielleicht hätte sich die Mannschaft von Frantisek Hossa im letzten Gruppenspiel gegen die geschickt taktierenden Schweden etwas zurückhalten sollen, um im Viertelfinale dem Nachbarn aus Tschechien oder Titelfavorit Kanada auszuweichen. Doch die Slowaken strotzten nur so vor Selbstvertrauen und ließen sich auf keinerlei taktisches Geplänkel ein.
Im Viertelfinale verstummte der Offensivpower allerdings jäh und mit einer enttäuschenden Vorstellung wurden die Slowaken von Nachbar Tschechien auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Wirklich bitter, denn die erste Niederlage im Turnier führte auch gleich zum Ausscheiden.
Eigentlcih schade, dass die Slowaken ihr Pulver schon in der Vorrunde verschossen, denn sie wussten mit ihrem offensiv orientierten Spiel durchaus zu gefallen. Besonders der Block um Pavol Demitra, Marian Hossa und den, auch in der NHL immer besser in Form kommenden, Marian Gaborik harmonierte hervorragend und war für die Hälfte aller Slowakischen Treffer verantwortlich. Routinier Peter Bondra bewies, dass er an Torgefährlichkeit absolut Nichts eingebüßt hat und war mit den Verteidigern Lubomir Visnovsky, Zdeno Chara und Jungstar Andrej Meszaros absoluter Aktivposten im Spiel der Slowaken.
Nachdem Stammgoalie Jan Lasak in der Vergangenheit immer als Achillesferse von „Slovensko“ galt, etablierte sich mit Petr Budaj nun ein talentierter Torhüter der den slowakischen Eishockeyfans sehr viel Hoffnung für die Zukunft gibt. David Aebischers Back Up bei den Colorado Avalanche spielte jedenfalls ein sehr souveränes Turnier.

Für die Slowaken bleibt die bittere Erkenntnis, dass die Vorrunde bei internationalen Wettkämpfen nicht wirklich viel zählt und das Turnier mit dem Viertelfinale erst so richtig beginnt. Somit ist das frühe Ausscheiden in den Playoffs doch als herbe Enttäuschung für die eishockeyverrückte Nation zu sehen.

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