Wednesday, March 01, 2006

Torino 2006 – Tops des Eishockeyturniers

(auf www.spoor.ch und www.hockeyweb.de)

Ein spannendes Olympiaturnier ist zu Ende. Wir konnten uns an zahlreichen Superstars, spannenden Spielen und einem doch unerwarteten Olympiasieger erfreuen. http://www.spoor.ch/
lässt das Olympische Eishockeyturnier noch einmal Revue passieren und präsentiert Ihnen die Tops und Flops aus Torino 2006.

Die Tops:

Schweden – Mit taktischer Raffinesse zum großen Erfolg
Am Sonntag, den 26.02.2006, endete das Olympische Eishockeyturnier mit einem großen Sieger. Das Dreikronenteam setzte sich, nach 1994 in Lillehammer, zum zweiten Mal die Olympische Krone auf und gewann die Goldmedaille. Die Schweden rehabilitierten sich damit eindrucksvoll für die peinliche Viertelfinalniederlage gegen Weißrussland in Salt Lake City 2002.
Nach der Vorrunde zählte man die Tre Kronor aber nicht unbedingt zum engen Kreis der Top-Favoriten, denn die Schweden begannen das Turnier äußerst gemächlich. Neben der klaren 0:5 Klatsche gegen die Russen fuhren die Schweden neben den Pflichtsiegen gegen Kasachstan und Lettland nur einen knappen 2:1 Erfolg gegen die USA ein. Im letzten Spiel der Vorrunde taktierten die Tre Kronor aber hervorragend und verloren mit angezogener Handbremse gegen die Slowakei mit 0:3. Dies bescherte ihnen zwar harsche Kritik und nur Platz Drei in der Gruppe B, doch im Viertelfinale wich man damit einem vermeintlichen Top-Favoriten aus.
Vor dem ersten K.O.-Spiel gegen die Schweiz warnte Trainer Bengt Ake Gustafsson davor die Eidgenossen zu unterschätzen. Gründe dafür hatte der ehemalige Assitenztrainer von Ralph Krüger genügend. Die überzeugenden Vorstellungen der Schweizer Nationalmannschaft in der Vorrunde war aber Warnung genug und die Tre Kronor nahmen das Match nicht auf die leichte Schulter und siegten souverän mit 6:2.

Beim 7:3 Erfolg über Tschechien im Halbfinale zeigten sich die Schweden dann von ihrer besten Seite und beherrschten den aktuellen Weltmeister in allen Belangen. Im Finale fügte man schließlich noch der finnischen Mannschaft die erste Niederlage im Turnier zu und holte mit einem knappen 3:2 Olympiagold nach Schweden. Mit Sicherheit hat man schon unterhaltsamere Eishockeyspiele gesehen, doch in Punkto Taktik, Disziplin und Teamgeist waren die Schweden einsame Klasse. Das Dreikronenteam überzeugte durch vier ausgeglichene Formationen, striktes Defensivverhalten und einer Taktik die das Siegen in den Vordergrund stellte.
Trainer Bengt Ake Gustafsson formte in knapp zwei Wochen eine kampfstarke geschlossene Einheit und strafte alle Kritiker in seiner Heimat Lügen. Schon vor Turnierbeginn geriet der Erfolgstrainer aufgrund seiner Kaderzusammenstellung nämlich in harsche Kritik der schwedischen Medien. Der Headcoach pokerte hoch und verzichtete auf einige namhafte NHL-Stars (z.B. Nylander, Ekman, Hedström). Am Ende machte Bengt Ake Gustafsson aber alles richtig und flog am Montag mit einer Goldmedaille behangen zurück in die Heimat. Mit an Bord auch alle NHL-Stars. Trotz der Wiederaufnahme der NHL-Spielzeit am Dienstag, wollte sich keiner der Goldakteure die Feierlichkeiten in Stockholm entgehen lassen. Olympiasieger wird man schließlich nicht alle Tage.

Für Peter Forsberg und Jörgen und Kenny Jönsson war es zwar schon die zweite Goldmedaille bei Olympischen Wettkämpfen, doch der 31jährige Kenny Jönsson sprach trotzdem vom schönsten Tag in seinem Leben. Der ehemalige New York Islanders Verteidiger (über 700 NHL-Spiele) wurde zudem noch zum besten Verteidiger des Turniers gewählt und obwohl er seit zwei Saisonen beim schwedischen Zweitligaklub Rögle BK engagiert ist hat Jönsson bewiesen, dass er im Nationalteam noch immer eine fixe Größe darstellt.
Als großes Kaliber kann man auch Defensivkollegen Nicklas Lidström bezeichnen. Der Detroit Red Wings Verteidigungschef erzielte den entscheidenden Treffer im Finalspiel und fand, neben seiner Einberufung ins All Star Team, gemeinsam mit Fredrik Modin auch Aufnahme in den Triple Gold Club (Olympia-Gold, WM-Gold und Stanley Cup). Modin bildete gemeinsam mit Mats Sundin, Peter Forsberg und Topscorer Daniel Alfredsson das Grundgerüst des schwedischen Angriffs. Maßgeblichen Anteil am großen Erfolg der Tre Kronor hatte auch der NHL-Rookie Henrik Lundqvist. Der Ausnahmekeeper gab, trotz seines jungen Alters, eine souveräne Vorstellung und gilt als größte Zukunftshoffnung des schwedischen Eishockeys.

Detroit Red Wings Headcoach Mike Babcock wird der Erfolg der Schweden sicher auch viel Freude bereiten, denn neben Nicklas Lidström zeigten sich auch Niklas Kornwall, Henrik Zetterberg, Mikael Samuelsson und Tomas Holmström in überragender Form. In Olympia Jahren steht die NHL-Saison für die Red Wings traditionell unter einem guten Stern. Schon in den Jahren 1998 und 2002 konnten die Red Wings den Stanley Cup nach Detroit holen. Wenn das kein gutes Omen ist.


Finnland – Der tragische Held
Die Finalniederlage gegen den Erzrivalen aus Schweden schmerzte gewaltig. Nichts desto trotz empfingen am Montag tausende Finnen ihre „Leijonaat“ auf dem Hauptplatz von Helsinki und feierten mit den tragischen Helden von Turin eine Silbermedaille die am Ende keiner wollte.
Noch vor dem Turnier wäre man im Land der tausend Seen mit einer solchen Silbermedaille sehr glücklich gewesen, doch wenn man die überragende Leistung der Finnen in Turin betrachtet erhält der silberne Glanz der Medaille einen eher matten Schimmer. Silber im Olympischen Eishockeyturnier schmerzt doch die Finnen sollten durchaus zufrieden auf Torino 2006 zurückblicken.

Suomi war eindeutig das überragende Team im Eishockeyturnier. Mit sieben Siegen und nur einer Niederlage zelebrierten die Finnen modernes Eishockey der Extraklasse. Besonders der eindrucksvolle 4:0 Halbfinal-Triumph über eine sehr starke russische Mannschaft beflügelte die Goldambitionen von Suomi enorm.
Neben dem besten Stürmer und Punktekönig des Turniers, Teemu Selänne, finden sich, mit Saku Koivu, Kimmo Timonen und Antero Niittymäki noch drei weitere finnische Spieler im Olympischen All Star Team. Besonders Goalie Niittymäki spielte das Turnier seines Lebens. Der 25jährige wurde mit drei Shutouts und einem GAA von 1,34 als bester Torhüter auch zum MVP des Turniers gewählt.

In ihren acht Spielen erlaubte die „Leijonaat“ nur sieben Gegentore und beeindruckte durch beinhartes Forechecking, kompaktes Defensivverhalten und effektives Scoring. General Manager Jari Kurri kann Turin erhobenen Hauptes verlassen, denn er formte trotz einiger hochkarätiger Ausfälle (Kiprusoff, Lehtonen) ein sehr starkes Team, welches sich in die Herzen der Eishockeyfans in aller Welt spielte. Was am Ende fehlte war nur die Goldmedaille.
Ob der 36jährige Selänne, der im Spiel gegen die USA drei Zähne verlor, und seine Kollegen Koivu, Lehtinen und Peltonen auch in Vancouver 2010 auf Medaillenjagd gehen werden scheint eher fragwürdig. Die große finnische Eishockeygeneration hat ihre Chance auf den Olympiasieg verspielt und wird damit der, in der finnischen Mentalität fest verankerten Rolle des tragischen Helden, mehr als gerecht. Um den Traum einmal ganz oben zu stehen auch verwirklichen zu können ist nun die junge Eishockeygeneration der Suomi gefordert.


Russland – Keine Medaille aber eine große Bereicherung
Den Russen wurde immer schon nachgesagt ein Ensemble hochbegabter Individualisten mit wenig Teamgeist und Einsatzbereitschaft zu sein. Zudem standen interne Streitereien bei den Filigrantechnikern immer ganz oben auf der Tagesordnung.
Vor dem Olympiaturnier versprach General Manager Pavel Bure, dass sich dies ändern sollte und vertraute bei der Auswahl seiner Spieler, neben den unzähligen NHL-Institutionen, auch auf einige Akteure aus der heimischen Superliga. Die Russen wollten als harmonische Einheit auflaufen und das Hauptaugenmerk auf die Defensive legen. Allen guten Vorsätzen zum Trotz rannten die Russen aber schon im Eröffnungsmatch gegen die Slowakei ohne große Rückversicherung auf das Gehäuse von Petr Budaj und wurden durch die schnellen Konterangriffe der Slowaken wieder auf den Boden der Realität zurückgeholt. Was die Russen bei diesem Turnier tunlichst vermeiden wollten fiel ihnen also schon im ersten Spiel auf den Kopf.

In den folgenden Partien sollte sich das Ganze allerdings schlagartig ändern. Gegen den späteren Weltmeister Schweden (5:0 Sieg) präsentierten sich die Russen als kompakte Mannschaft und zeigten sich auch in Punkto Defensivverhalten stark verbessert. Dies wurde im Schongang gegen Kasachstan (1:0), mit einem Offensivfeuerwerk gegen Lettland und in einer hart umkämpften Partie gegen die USA (5:4) fortgeführt.
Höhepunkt des russischen Olympia-Auftritts war aber mit Sicherheit der 2:0 Viertelfinalsieg gegen den Topfavoriten aus Kanada. Nach der Schlusssirene jubelten die Russen als ob sie den Olympiatitel gewonnen hätten und auf der Tribüne fielen sich General Manager Pavel Bure und der russische Sportminister Vyacheslav Fetisov in die Arme. Spätestens ab diesem Zeitpunkt waren die Russen ein heißer Kandidat auf Olympisches Gold. Torhüter Evgeni Nabokov präsentierte sich in herausragender Form und brachte die kanadischen Superstars mit Glanzparaden zur Verzweiflung. Die Angriffslinie um Alexei Kovalev, Viktor Kozlov und Jungstar Alexander Ovechkin, der auch ins All-Star Team berufen wurde, zeigte Offensivhockey der ersten Güte. Auch Spielmacher Pavel Datsyuk, Maxim Afinogenov und Nachwuchshoffnung Evgeni Malkin präsentierten sich in grandioser Form.

Im Halbfinale folgte dann der bittere Dämpfer. Über 60 Minuten fand die beherzt kämpfende Sbornaja kein probates Mittel um gegen das harte Forechecking der Finnen zu bestehen. Die Angriffsmaschinerie kam nie richtig ins Laufen und die Stürmerstars fuhren sich in der dicht gestaffelten finnischen Abwehr immer wieder fest. Am Ende unterlag die Mannschaft von Vladimir Krikunov klar mit 0:4 und der Traum von der Goldmedaille war geplatzt.
Im Spiel um Bronze taten es die Tschechen schließlich den Finnen gleich und schickten angeknackste Russen mit 3:0 nachhause. Keine Medaille aber trotzdem eine große Bereicherung für das Olympische Eishockeyturnier


Schweiz – Realistische Einschätzungen nicht eingetreten
Blickt man auf pure Fakten hat die Schweiz in Turin für keine Überraschung gesorgt. Am Ende scheiterte man wieder einmal im Viertelfinale eines internationalen Turniers und vom Gewinn einer Medaille war man schlussendlich doch recht weit entfernt.
Schon vor dem Turnier bestand, realistischen Einschätzungen zufolge, die Pflicht darin die Italiener und Deutschen hinter sich zu lassen und in der Kür eventuell einer Topnation im Viertelfinale ein Bein zu stellen. Hat leider alles nicht wirklich funktioniert. Gegen die Nachbarn aus Italien und Deutschland spielte man nur Unentschieden und im Viertelfinale war gegen die Top-Nation aus Schweden Endstation.

Was aber, abgesehen von realistischen Einschätzungen, beim Olympiaturnier noch alles passiert ist fällt durchaus in die Kategorie große Überraschung.
Munkelte man nach dem 3:2 Sensationssieg gegen Tschechien noch von einem glücklichen Sterntag, verstummten diese Unkenrufe nach dem 2:0 Shutout gegen Kanada jäh.
Die Schweizer Nationalmannschaft spielte im Konzert der Topnationen all ihre Vorzüge aus und glänzte durch konsequentes Forecheking, aufopferungsvolle Kampfbereitschaft und eisläuferisch wie technisch ausgefeiltes Eishockey auf hohem Niveau.

Die Ausnahmegoalies David Aebischer und Martin Gerber agierten in Überform und besonders Martin Gerbers Jahrhundert-Save gegen Rick Nash wird uns wohl noch lange in Erinnerung bleiben. Den ersten Sieg gegen die Ahornblätter in einem internationalen Turnier wird wohl auch dem eingebürgerten Kanadier Paul DiPietro nicht so schnell vergessen. Zu Tränen gerührt sprach er nach seinen zwei Treffern von einem Karriere-Highlight. Der 35jähriger vom EV Zug hatte 1993 immerhin schon den Stanley Cup geholt.
Auch Kapitän Mark Streit, der in der NHL um seinen Stammplatz hart kämpfen muss, bewies in jeder Phase großartige Führungsqualitäten und sorgte zudem von der Blauen Linie für ständige Gefahr.

Rang Zwei nach der Vorrunde und am Ende nur zwei Niederlagen gegen die Finalteilnehmer Finnland und Schweden. Die Jungs von Ralph Krüger haben einmal mehr bewiesen, dass sie zu großen Taten bereit sind. Die Zeit war in Turin 2006 allerdings noch nicht reif und auf dem Papier bleibt nur ein guter sechster Platz. Aus Niederlagen lernt man und in Zukunft sollte man die Schweizer Nationalmannschaft bei Titelkämpfen immer auf der Rechnung haben.


Das All Star Team
Torhüter:
Antero Niittymäki (FIN)
Verteidigung: Nicklas Lidström (SWE), Kimmo Timonen (FIN)
Angriff: Teemu Selänne (FIN), Saku Koivu (FIN), Alexander Ovechkin (RUS)

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