(www.spoor.ch 14.02.2006)
Torino 2006 - Der Traum von einer Medaille
Teamchef Ralph Krüger vertraut in Turin auf eine ausgeglichene Mannschaft die in den letzten Jahren bewiesen hat, dass sie langsam bereit ist auch im Konzert der Topnationen eine tragende Rolle zu spielen. Der ewige Traum von einer Medaille wird für die Nati aber nur schwer in Erfüllung gehen, doch hoffen wird man wohl noch dürfen.
Zuversichtlich stimmen einen da vor allem die Auftritte bei Weltmeisterschaften in der jüngeren Vergangenheit. Die Nationalmannschaft hat seit Jahren ein Abonnement auf das Viertelfinale und 1992 und 1998 rückte sogar die erste Medaille bei internationalen Wettkämpfen, seit knapp 50 Jahren, in Reichweite. Unter dem Strich blieben allerdings nur Achtungserfolge, denn im Semifinale und im Spiel um Platz Drei mussten die Schweizer, sowohl in Prag 1992 als auch bei der Heim-WM 1998, den Klasseunterschied zu den Topnationen anerkennen und erreichten am Ende den ungeliebten vierten Platz.
Bei Olympischen Spielen liegen die Erfolge schon etwas länger zurück. 1928 und 1948 (jeweils in St. Moritz) holte sich die Schweizer Eishockeymannschaft zum letzten Mal eine Olympiamedaille. In den letzten 50 Jahren kam die Nati dann allerdings nie mehr über den achten Rang hinaus. Zudem sitzt das enttäuschende Abschneiden (nur Elfter) bei den Winterspielen 2002 in Salt Lake City noch in den Köpfen der Athleten. Wiedergutmachung sollte also für Turin 2006 auf jeden Fall angesagt sein und mit ein wenig Fortune geht sich am Ende vielleicht auch eine große Überraschung aus. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Für das Olympische Eishockeyturnier vertraut Teamchef Ralph Krüger auf einen Großteil der Spieler die im letztjährigen WM-Viertelfinale gegen Schweden unglücklich mit 1:2 den Kürzeren zogen. Ein traditionell ausgeglichener Kader der von den NHL-Profis Martin Gerber, David Aebischer und Mark Streit geführt werden soll.
Im Angriff setzt Krüger, mit Patrick Fischer, Paul DiPietro und Unterzahlspezialisten Patric Della Rossa auf ein erfahrenes Trio vom EV Zug. Besonders der eingebürgerte Kanadier DiPietro ist aufgrund seiner jahrelangen NHL-Erfahrung (Stanley Cup 1993 mit Montreal) ein wertvoller Akteur. Am 18.02.2006 wird er zum ersten Mal bei einem Großevent gegen sein ehemaliges Heimatland im Einsatz sein.
Kaltblütige Torjäger internationalen Formats sind in der Angriffsformation allerdings nicht zu finden. Am ehesten werden Patrick Fischer (Zug), Marcel Jenni (Kloten), Ivo Rüthemann (Bern), Adrian Wichser (ZSC Lions) und Schweden Legionär Martin Plüss für die nötigen Treffer sorgen.
Einer der besten Schweizer Scorer der NLA fehlt dem Nationalteam aber seit seiner Suspendierung bei den Winterspielen 2002. Während im Fall Marcel Jenni genug Gras über die Alkoholeskapaden gewachsen ist, fand Ralph Krüger mit Reto von Arx nie eine Gesprächsbasis. Viele Schweizer Eishockeyfans würden den auch „geile Siech“ genannten von Arx gerne in Turin sehen, doch RvA wird wahrscheinlich nie wieder das Trikot des Teams überstreifen.
Die Ausgeglichenheit des Kaders untermauern noch Romano Lemm (Kloten), Thierry Paterlini (ZSC Lions) und Thomas Ziegler vom SC Bern sowie Flavien Conne und Sandy Jeannin aus Lugano. Jungstar Kevin Romy (Lugano) verpasst leider aufgrund eines Muskelfasereinrisses sein Olympiadebüt.
In der Verteidigung könnte die Schweizer Mannschaft aber gröbere Probleme mit ihrer Unerfahrenheit im Umgang mit effizienten NHL-Scorern bekommen. Herzstück der Defensive ist natürlich Kapitän Mark Streit. Neben ihm verfügen aber auch Mathias Seger (ZSC Lions) und Goran Bezina (Genf) über sehr gute Fähigkeiten im Offensivspiel. Jungstar Severin Blindenbacher verfügt über einen harten Schlagschuss und kann von der Blauen Linie ebenso für Gefahr vor dem gegnerischen Gehäuse sorgen.
Julien Vauclair, Steve Hirschi (beide Lugano), Beat Forster (ZSC Lions) und Olivier Keller (Basel) sind allesamt solide NLA-Verteidiger, doch wie sie sich gegen die Armada von NHL-Superstars behaupten können wird sich erst weisen. Enorm schmerzt der Ausfall von Führungsspieler Martin Steinegger (Bern). Der Routinier muss wegen einer Handverletzung passen und das Nationalteam wird den 34 jährigen sowohl auf dem Eis als auch in der Kabine sehr vermissen.
Das Prunkstück des Schweizer Teams findet man eindeutig auf der Torhüterposition. Ralph Krüger darf sich über drei Ausnahmegoalies freuen, die in dieser Spielzeit ausnahmslos in Topform agieren. Generell wird die Torhüterleistung sicher großen Einfluss auf das Abschneiden der Nationalmannschaft beim Olympischen Eishockeyturnier haben.
Als Nummer Eins gilt Martin Gerber. Der 31jährige hatte bislang maßgeblichen Anteil am Höhenflug der Carolina Hurricanes und zählt in dieser Saison zu den besten NHL-Torhütern. Wie auch bei vergangenen internationalen Großereignissen darf man damit rechnen, dass Gerber einen Großteil der Spiele machen wird. An manchen Tagen gilt er als unüberwindbares Hindernis und die gegnerischen Mannschaften sollen sich an ihm die Zähne ausbeißen.
Ähnliches gilt auch für David Aebischer. Die Nummer Eins der Colorado Avalanche wird in Turin mit Sicherheit auch zum Einsatz kommen. Abby erwischte bei den Avs zwar einen rabenschwarzen Dezember, doch im neuen Jahr präsentierte sich der 27jährige in überragender Form und überflügelte, mit einem Klubrekord von neun Siegen im Januar, sogar seinen Vorgänger Patrick Roy.
Marco Bücher vom SC Bern agiert derzeit auch in bestechender Form doch mit einem Olympia- Einsatz wird er wohl nicht rechnen können.
Neben den Torhüterleistungen ist auch die Performance von Kapitän Mark Streit das Zünglein an der Waage im Schweizer Spiel. Bei internationalen Wettbewerben war Streit in den vergangenen Jahren immer wieder der herausragende Akteur der Nationalmannschaft und erhielt auch deshalb einen One-Way-Vertrag bei den Montreal Canadiens.
Nach anfänglichen Anpassungsschwierigkeiten kam Streit bei den Habs im neuen Jahr immer besser in Form und erlangte immer mehr Spielzeit. Besonders nach der Übernahme des Traineramts durch General Manager Bob Gainey zeigte sich Streit in toller Spiellaune, organisierte das Powerplay und erzielte am 14.01.2006 auch seinen ersten NHL-Treffer.
Gerade als man damit rechnen konnte, dass sich Streit fix einen Stammplatz bei den Canadiens erkämpft hatte, musste der Englisberger aber wieder auf die Tribüne. Seit dem 26.Jänner kam Mark Streit im Canadiens-Trikot nicht mehr zum Einsatz. Für Viele ist die Entscheidung von Bob Gainey nicht nachvollziehbar, denn mit seinen vollbrachten Leistungen kann dieser Schritt nur wenig zu tun haben.
Gerüchte um kleinere Verletzungen, Krankheit und einen möglichen Trade kursieren nach wie vor durch die Medienlandschaft, doch warum Bob Gainey den 28jährigen acht Mal hintereinander als „healthy scratch“ auf die Tribüne verbannte weiß wohl nur er.
Der Zeitpunkt kommt für Mark Streit, in Anbetracht der Olympischen Spiele, auf jeden Fall zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt. Wie wir den Nati-Captain aber kennen wird er weiter hart an sich arbeiten und vielleicht verhelfen ihm überragende Leistungen im Olympischen Turnier auch wieder zu einem Stammplatz in seinem NHL-Team.
Behauptungen, dass Mark Streit aufgrund seiner, für NHL-Verhältnisse relativ geringen Körpergröße von 182 cm, nicht für die NHL geschaffen ist, wollen wir ein für alle Mal vom Tisch wischen. Dass es in der NHL nämlich nicht nur auf die Körpergröße ankommt haben schon zahlreiche andere Spieler gezeigt.
Bester Beweis sind die zarten 173cm der finnischen Verteidiger-Legende Reijo Ruotsalainen. Neben seinen sechs Saisonen beim SC Bern brachte es „Rexi“ auch auf über 500 NHL Einsätze und errang zweimal den Stanleycup mit den Edmonton Oilers. Die erste Partie des finnischen Teams bei den Winterspielen 2006 könnte bei Ruotsalainen allerdings schlechte Erinnerungen wach rütteln. Bei den Winterspielen 1988 in Calgary war „Rexi“ noch im Trikot der „Leijonaat“ im Einsatz und die Finnen verloren das Auftaktspiel gegen den krassen Außenseiter Schweiz mit 1:2. Wenn es am Mittwoch zum erneuten Aufeinandertreffen der beiden Mannschaften kommt, wird ein anderer Protagonist mit einem Lachen auf das Jahr 1988 zurückblicken. Der Schweizer Assitenztrainer Jakob Kölliker erzielte damals das Siegestor zum 2:1 Vorrundensieg gegen den späteren Silbermedaillengewinner.
Ein erneuter Triumph über die Finnen würde auf jeden Fall einigen Druck von den Schultern der Schweizer Nationalmannschaft nehmen und das realistische Ziel „Viertelfinale“ würde in greifbare Nähe rücken. Natürlich konzentrieren sich aber die Schweizer Viertelfinalambitionen eher auf den Pflichtsieg gegen Italien und auf das wahrscheinlich entscheidende Match gegen Deutschland. Das Spiel gegen den Erzrivalen hat auf jeden Fall Endspielcharakter und ein Sieg gegen den Nachbar muss unbedingt her. Ab dem Viertelfinale beginnt das Turnier dann wieder von vorne und gegen eine der Topnationen hat man ab diesem Zeitpunkt aber schon gar nichts mehr zu verlieren. Der Traum von einer Medaille könnte dann in Erfüllung gehen - und Träumen wird man wohl noch dürfen. Doch bevor wir weiterträumen muss die Schweizer Nationalmannschaft erstmal die Pflicht absolvieren und ins Viertelfinale aufsteigen.
Wednesday, February 15, 2006
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