Tuesday, February 07, 2006

Torino 2006 – Edelmetall für den hohen Norden?

(www.spoor.ch 07.02.2006)

Torino 2006 – Edelmetall für den hohen Norden?
Im dritten Teil unserer Vorberichterstattung zum Olympischen Eishockeyturnier in Turin nehmen wir den ewigen Underdog aus Finnland und seinen großen Bruder aus Schweden genauer unter die Lupe


Finnland – Der Underdog peilt wieder eine Überraschung an
Zum erlauchten Kreis der absoluten Topfavoriten hat das Team aus Finnland bei internationalen Wettkämpfen noch nie gezählt. Trotz unzähliger Superstars und herzerfrischenden Eishockeyspieles, konnte Finnland auf internationaler Bühne nur wenige Male aus dem Schatten des großen Bruders aus Schweden treten. Just bei der WM 1995 in Schweden gelang dem Team Suomi der erste und bislang einzige Weltmeistertitel. Im Finale wurde der Erzrivale im Stockholmer Globen mit 4:1 besiegt.

Bei Olympischen Winterspielen reichte es für die „Leijonaat“ noch nie für Gold, doch in den letzten 20 Jahren spielten die Mannen aus dem Land der tausend Seen fast immer eine dominante Rolle. 1998 fügten die Finnen der UdSSR die einzige Niederlage im Turnier zu und erkämpfte sich zum ersten Mal in der Geschichte eine Olympische Medaille. Beim letzten großen Auftritt des Atomblocks Fetisov, Kasatonov, Krutov, Larionov und Makarov errangen die Finnen hinter der Sowjetunion den ausgezeichneten zweiten Rang. Der damals 20jährige Teppo Numminen wird sich auch in Turin 2006 wieder das blau-weiß Trikot überstreifen.
1994 in Lillehammer folgte die erste Bronzemedaille. Nach der 3:5 Halbfinalniederlage gegen Kanada fertigten die Finnen im Spiel um Platz Drei Russland mit 4:0 ab. In Nagano 1998 revanchierten sich die Finnen gegen Kanada und siegten gegen das „All-Star Team“ um Wayne Gretzky, im Spiel um Platz Drei, mit 3:2. Ein denkwürdiges Turnier für fünf Millionen finnische Eishockeyfans, denn schon im Viertelfinale besiegte man den Erzrivalen aus Schweden mit 2:1.
In Salt Lake City 2002 schlugen dann die Kanadier wieder zurück. Der spätere Olympiasieger besiegte Finnland im Viertelfinale knapp mit 2:1 und blieb auch beim Finale des World Cups 2004, im Air Canada Center zu Toronto, mit 3:2 erfolgreich.

Ebendort spielte sich Goalie Miikka Kiprusoff ins Rampenlicht der Eishockeywelt. Der Torhüter zählt seither zur absoluten Weltspitze und glänzt auch in der aktuellen NHL-Saison mit überragenden Leistungen. In Turin steht der Calgary Flames-Schlussmann Headcoach Erkka Westerlund allerdings nicht zur Verfügung. Er bat um eine Pause um seine Hüftverletzung auszukurieren. Anstelle des 29jährigen wurde Antero Niitymaki von den Philadelphia Flyers nachberufen. Wenn Jungstar Kari Lehtonen von den Atlanta Trashers auch noch absagen sollte, wird Niitymaki wohl zur unumstrittenen Nummer Eins.

Schon seit Jahren ist die Verteidigung das Prunkstück der finnischen Mannschaft. Zu den Oldboys Numminen (Buffalo), Timonen (Nashville) und Salo (Vancouver) gesellt sich ein alter Bekannter vom HC Lugano. Petteri Nummelin wurde bei Olympischen Spielen im Team bislang noch nie berücksichtigt und darf nun in Turin, aufgrund des Ausfalls von Ossi Vaananen (Colorado), erstmals Olympia-Luft schnuppern. Der kleine Mann ist offensiv sicher ein großer Gewinn für das Team Suomi. Lydman (Buffalo), Berg (Toronto) und Philadelphia Jungstar Joni Pitkanen runden die starke Hintermannschaft der Finnen ab

Im Angriff erhält Olympianeuling Nummelin Verstärkung aus Lugano. Auch Jukka Hentonen und der erfahrene Ville Peltonen scheinen im Kader der „Leijonaat“ auf. Geführt wird das Team von Kapitän Saku Koivu (Montreal) der auch seinen jüngeren Bruder Mikko (Minnesota) in der Kabine des Palasport Olimpico von Turin begrüßen darf.
Große Erwartungen setzen die Finnen in den wieder erstarkten Teemu Selanne (Anaheim), Olli Jokinen (Florida) und Jere Lehtinen (Dallas), die sich allesamt in der aktuellen NHL-Saison in ausgezeichneter Form präsentieren. Durch die Absagen von Tuomo Ruutu (Chicago) und Sami Kapanen (Philadelphia) sprangen noch Jussi Jokinen (Dallas) und Ville Nieminen (NY Rangers) auf den finnischen Olympiazug auf.

Der Ausfall von Ausnahmetorhüter Kiprusoff schmerzt natürlich sehr, doch auch mit den Olympianeulingen Kari Lehtonen, Antero Niitymaki und Fredrik Norrena (Linköpings) haben die Finnen durchaus starke Schlussmänner zur Verfügung. Über Mengen an internationaler Erfahrung verfügt das Trio allerdings nicht.

In der Defensive darf sich Trainer Westerlund über eine gelungene Mischung aus Routiniers und jungen Spielern freuen. Jungstar Pitkanen hat das Talent einer der herausragenden Akteure im Olympischen Eishockeyturnier zu werden. Ein Ensemble aus effektiven Punktesammlern und disziplinierten Defensivstürmern bestimmt die Angriffsformation.
Die Finnen werden auch in Turin als Underdog ins Turnier starten und ihren jeweiligen Gegnern bis zur letzten Minute Alles abverlangen. Unbändiger Kampfgeist, eisläuferische Stärke und hervorragende körperliche Konstitution jedes einzelnen Spielers machen Finnland zu einem äußerst unangenehmen Gegner, der durchaus auch imstande ist Tore zu erzielen. Knappe Ergebnisse und einige Überraschungen können also erwartet werden. Auf jeden Fall ist Team Suomi, wie auch in den vergangenen Turnieren, ein unberechenbarer Gegner und mit ein wenig Glück ist ein Platz im Semifinale nicht auszuschließen.


Schweden – Angriff auf Gold
Explosiver Angriffspower, routinierte Defensive und ein Torhüter der sich in seiner Rookie-Saison schon in den Kreis der besten NHL-Keeper gespielt hat. Schweden gibt sich bei den Olympischen Spielen mit einem absoluten Topteam die Ehre.

In der Defensive steht Trainer Bengt-Ake Gustafsson Alles zur Verfügung was im schwedischen Eishockeysport Rang und Namen hat. Nach den Absagen von Powerplay-Quarterback Kim Johnsson (Philadelphia) und Niklas Kronwall (Detroit) rutschten Oldboy Niclas Havelid (Atlanta) und Daniel Tjärnqvist (Minnesota) in die Hintermannschaft.
Mit Starverteidiger Nicklas Lidström (Detroit), sowie Mattias Norström, Mattias Ohlund und Christian Backman ist die schwedische Hintermannschaft aber trotzdem ausnahmslos mit herausragenden Defensivakteuren bestückt, welche auch exzellente Offensivfähigkeiten besitzen. Kenny Jönsson (Rögle BK, 2. Liga ) ist der einzige Verteidiger im Kader der aktuell nicht in der NHL seine Brötchen verdient, doch der 31jährige aus Engelholm ist seit Jahren fixer Bestandteil bei den Tre Kronor und brachte es in insgesamt zehn NHL-Saisonen auf über 700 Spiele.
Sein älterer Bruder Jörgen (Färjestads BK) konnte sich hingegen mit dem Leben in Nordamerika nie richtig anfreunden und brachte es nur auf 81 NHL-Partien. Dafür fungiert der Mittelstürmer seit Jahren als Kapitän der schwedischen Nationalmannschaft und brachte es bislang auf 244 Länderspiele.

Leitfigur im Sturm der Tre Kronor ist Peter Forsberg (Philadelphia). „Foppa“ und Ottawa Senators Goalgetter Daniel Alfredsson sollten ursprünglich mit Vancouver Canucks Topscorer Markus Naslund auf Torjagd gehen. Dieser will allerdings seine Hüftverletzung auskurieren und sagte für Turin ab. Nicht weiter tragisch für das Dreikronenteam, denn in der Offensive verfügen die Schweden mit Mats Sundin (Toronto), Henrik Zetterberg, Tomas Holmström, Mikael Samuelsson (alle Detroit), Fredrik Modin (Tampa Bay), Per-Johan Axelsson (Boston) und den Sedin Brüdern von den Vancouver Canucks über zahlreiche weitere NHL-erprobte Scorer.

Die Einberufung des gebürtigen Finnen Mika Hannula gilt hingegen als große Überraschung. Der Linke Flügelstürmer aus Jönköping vertrat die Tre Kronor erst einmal bei Weltmeisterschaften und spielte noch nie in der NHL. Trainer Bengt-Ake Gustafsson verzichtet dafür auf die Dienste von Michael Nylander (NY Rangers), Jonathan Hedström (Anaheim) und Nils Ekman (San Jose). Ein riskanter Schachzug des ehemaligen NHL-Stars, denn bei einem möglichen Misserfolg weiß die schwedische Presse schon jetzt schon wen sie an den Pranger stellen wird.

Die Schweden reisen aber dennoch mit einem Kader von sehr starken und erfahrenen Spielern nach Turin. Lidström, Forsberg, Sundin und Alfredsson verlieren in entscheidenden Momenten nie die Nerven und sind Garant dafür, dass mit den Schweden auch 2006 zu rechnen sein wird. Den bislang einzigen Olympiatriumph feierten die Schweden 1994 in Lillehammer. Seit dem Sieg im Penaltyschießen gegen Kanada kamen die Tre Kronors bei Olympischen Wettkämpfen über den fünften Platz nicht mehr hinaus. Nach der peinlichen Viertelfinalniederlage gegen Weißrussland vor vier Jahren haben die Tre Kronor aber noch eine Rechnung mit Olympia offen. Eine Medaille muss her und wenn Rookie-Goalie Henrik Lundqvist auch im Team zu ähnlichen Leistungen wie bei den New York Rangers fähig ist, kann man den Schweden sehr viel zutrauen. Großer Druck also für den 24jährigen, denn seine Back Ups Stefan Liv (HV 71 Jönköping) und Mikael Tellqvist (Toronto) sind für den Kampf um Gold doch ein wenig zu unkonstant.

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