Sunday, February 12, 2006

Torino 2006 – Das „Miracle on Ice“ in den Köpfen der US-Boys

(www.spoor.ch 10.02.2006)

Torino 2006 – Das „Miracle on Ice“ in den Köpfen der US-Boys

Die USA zählen in Turin nicht zu den absoluten Topfavoriten. Für eine Überraschung ist die erfahrene Truppe von Peter Laviolette, seit den Winterspielen von 1980, aber immer gut. Das „Miracle on Ice“ ist in den Köpfen der US-Boys noch immer tief verankert.

Als die USA im legendären Olympia-Eishockeyturnier 1980 in Lake Placid zum bisher letzten Mal die Goldmedaille erringen konnten waren einige Akteure der aktuellen Auswahl noch nicht einmal geboren und der Großteil der Mannschaft verfolgte das Turnier, im zarten Kindesalter, vor dem Fernsehschirm. Doch die unglaubliche Überraschung, die das Amateurteam der USA damals zustande brachte ist in den Köpfen aller amerikanischen Eishockeyspieler fest verankert. Das „Miracle on Ice“ war Inspiration für eine ganze Generation von jungen Hockeyspielern, welche rund 25 Jahre später erneut auf ein Wunder hoffen.

Um aus Turin mit der Goldmedaille heimzufahren wird das Team von Peter Laviolette (Carolina Hurricanes) wahrscheinlich wirklich ein weiteres „Miracle“ benötigen. Die Spieler wissen jedenfalls seit 1980 bestens Bescheid, wie ein solches Olympisches Wunder funktionieren kann.
Der Stellenwert von Olympischen Spielen ist in den USA auf jeden Fall sehr hoch und der Stolz mit dem die US-Equipe bei diesen Turnieren an den Start geht ist ein nicht zu unterschätzender Faktor. Eine Wiederholung des „Wunders von Lake Placid“ würde die Akteure in ihrem Heimatland nämlich zu unsterblichen Sporthelden machen.
Die USA zählen in Turin aber nicht zum Kreis der Topfavoriten, doch die Rolle des Underdog schmerzt die US-Boys mit Sicherheit nicht - man hat demnach nur wenig zu verlieren.
Eines ist auf jeden Fall sicher: Bei Olympischen Spielen treten die US-Boys traditionell höchst motiviert auf.
In der Ära der Sowjet-Übermacht von 1956 bis 1992 waren die USA das einzige Team, dass es schaffte die, als unschlagbar geltende, Sbornaja zu besiegen. Dieses Kunststück gelang den US-Boys bei den Heimbewerben in Squaw Valley 1960 und Lake Placid 1980 gleich zweimal.
Legendär bleibt der Triumph der USA im Jahr 1980. Da die NHL-Profis, wie damals üblich, mit dem Kampf um den Stanley Cup beschäftigt waren, stellte die USA eine Amateurmannschaft gänzlich unbekannter Spieler fürs Olympische Turnier ab. Diese Truppe wuchs im Verlauf der Winterspiele über sich hinaus und stürzte, mit einem historischen 4:3 Sieg, die als unbesiegbar geltende UDSSR vom Eishockey-Olymp. Ganz Amerika taumelte aufgrund des „Miracle on Ice“ im Siegesrausch.
Seit 1980 reichte es für die US-Boys aber nur noch einmal zu Olympischem Edelmetall. Der dritte Olympiasieg im eigenen Land schien, 2002 in Salt Lake City, schon in greifbarer Nähe, doch die US-Boys verloren nach 70 Jahren wieder ein Olympia-Heimspiel (seit 1932 in Lake Placid!) und unterlagen im Finale Kanada mit 2:5.

In Turin 2006 leiten Peter Laviolette (Carolina Hurricanes) und Mike Sullivan (Boston Bruins) die Geschicke des US-Teams von der Bande aus. Die beiden Erfolgstrainer vertrauen auf eine gelungene Mischung aus Routiniers und Olympia-Neulingen, die aber allesamt auf genügend NHL-Erfahrung zurückblicken können.
Ein großes Fragezeichen steht beim Team USA allerdings hinter der Torhüterpostion. Dem nominierten Goalie-Trio fehlt es durchwegs an Olympia-Erfahrung und eine eindeutige Nummer Eins ist nicht auszumachen.
Die besten Chancen auf die Starterpostion besitzt wohl New York Islanders Torhüter Rick DiPietro. Der Overall Nummer Eins Draftpick aus dem Jahre 2000 ist der Goalie der am öftesten bei seinem NHL-Team zum Einsatz kommt und überzeugte schon voriges Jahr mit herausragenden Leistungen bei der WM in Österreich.
John Grahame ist Fixstarter in Tampa Bay und konnte in dieser Saison schon fünf Shutouts verbuchen. Nur Miika Kiprusoff von den Calgary Flames hat öfter zu Null gespielt.
Robert Esche ist nominelle eigentlich Einsergoalie bei den Philadelphia Flyers. Doch nach einer fast einmonatigen Verletzung machte ihm Antero Niitymaki den Posten im Team des Titelaspiranten streitig. Der 28jährige Esche ist diese Saison noch auf der Suche nach seiner Form.
Aufgrund der undurchsichtigen Torhütersituation rechneten einige Medien schon mit der Einberufung von Buffalo Sabres Shooting-Star Ryan Miller. Eine längere Verletzung vereitelte dem NHL-Rookie aber einen Fixplatz im Team. Wie Carolina Stürmer Matt Cullen und die Verteidiger Hal Gill (Boston) und Paul Martin (NewJersey), ist der 25jährige aber Teil der so genannten „taxi squad“. Diese Spieler beziehen zwar ihre Zimmer im Olympischen Dorf und trainieren mit der Mannschaft, doch sie dürfen nur im Verletzungsfall in den Kader getauscht werden.

Geführt werden die Amerikaner vom 44jährigen Chris Chelios. Der Detroit Red Wings Veteran fungierte schon 1998 und 2002 als Kapitän des US-Teams und war zudem schon als 22jähriger bei den Winterspielen 1984 in Sarajewo im Einsatz. Nach seinen Olympiateilnahmen 1992, 1998 und 2002 ist auch St. Louis Blues Stürmer Keith Tkatchuk zum vierten Mal in einer Olympiaauswahl der USA.
Erfahrene Unterstützung in der Defensive erhält Chelios von den Routiniers Derian Hatcher (Philadelphia) und Bred Hedican (Carolina). Für den nötigen Druck von der Blauen Linie sollen der schussgewaltige Mathieu Schneider (Detroit), New Jersey Devils Abwehrchef Brian Rafalski und der junge Colorado Powerplay Spezialist John-Michael Liles sorgen.
Jordan Leopold (Calgary Flames) erhält wie alle seiner Verteidigungskollegen sehr viel bei seinem NHL-Klub und ist in dieser Saison zu einem Top-Verteidiger der NHL aufgestiegen.

Die Nichtberücksichtigung einiger Urgesteine der Hintermannschaft sorgte in den US-Medien für sehr viel Gesprächsstoff. Neben Paul Mara und Keith Ballard von den Phoenix Coyotes verzichtete Headcoach Laviolette auch auf Routinier Eric Weinrich (St. Louis Blues) und den in letzter Zeit von Verletzungspech verfolgten Brian Leetch (Boston)
Ein weiterer Kandidat nahm sich selbst aus dem Rennen um einen Platz im US-Team. Columbus Offensivverteidiger Bryan Berard wurde schon im November positiv auf Steroide-Anabolika getestet, was schließlich am 03.01.2006 zu einer zweijährigen Sperre bei internationalen Bewerben führte. In der NHL ist der 28jährige aber weiterhin spielberechtigt.

Im Angriff verzichtete Headcoach Laviolette auf auch auf die Dienste der Veteranen Scott Young, John Leclair, Tony Amonte und Jeremy Roenick. Letzterer brüskierte sich via Medien äußerst heftig über seine Nichtberücksichtigung.
Trotz des Verzichts auf zahlreiche Routiniers besteht das amerikanische Team aber keineswegs aus jungen unerfahrenen Spielern. Mike Modano und Bill Guerin (Dallas Stars) sowie die St. Louis Blues Topverdiener Doug Weight und Keith Tkachuk schrauben den Altersschnitt auf beachtliche 31,2 Jahre.
Besonders die Einberufung von Tkachuk sorgte für großen Wirbel in der amerikanischen Eishockeyszene. Der 7,6 Millionen Dollar schwere Power Forward wurde in der Pre-Season aufgrund von Gewichtsproblemen aus dem Kader der Blues suspendiert und verpasste wegen zahlreicher Verletzungen auch noch einen Großteil der Spielzeit. In der aktuellen NHL-Saison brachte er es nur auf 14 Spiele. Wenn Tkachuk allerdings auf dem Eis steht ist der 33jährige nach wie vor nicht zu bremsen. 21 Scorerpunkte sind der beste Beweis für seine außergewöhnlichen Fähigkeiten.

Effektivster US-Angreifer der laufenden NHL-Saison ist Brian Rolston (Minnesota). Der 32jähirge gilt als überragender Zwei-Wege-Spieler und war auch schon bei den Winterspielen 2002 in Salt Lake City und 1994 in Lillehammer im Team der USA vertreten. Mit 24 Toren und 36 Vorlagen rangiert er augenblicklich auf Rang 15 der NHL-Scorerwertung. Im Silbermedaillen-Team von Salt Lake City war auch Buffalo Angreifer Chris Drury mit dabei. Der pfeilschnelle Stürmer errang 1999 die Calder Memorial Trophy für den besten Neuling der NHL und ist durch seine Schnelligkeit bei Konterangriffen immer brandgefährlich.
Ein weiterer Calder Trophy Gewinner feiert in Turin sein Olympia-Debüt. Scott Gomez, ehemaliger Overall Nummer Eins Draftpick der New Jersey Devils, wurde im Jahr 2000 mit der Trophäe für den „Rookie of the year“ bedacht und kommt in dieser Saison, nach anfänglichen Schwierigkeiten, immer besser in Fahrt. Bestens läuft es auch für Devils-Teamkollegen Brian Gionta. Der 27jährige bestreitet die beste Spielzeit seiner gesamten NHL-Karriere und soll wie New York Islanders Angreifer Mark Parrish bei seinem Team-Debüt für den nötigen Offensivpower sorgen.
Insgesamt setzt Headcoach Laviolette auf zwölf Olympia-Neulinge, die allerdings ausnahmslos über jahrelange NHL-Erfahrung verfügen. Jason Blake (NY Islanders), Eric Cole (Carolina), Craig Conroy (Los Angeles) und der gebürtige Kanadier Mike Knuble (Philadelphia) sind allesamt wichtige Zwei-Wege-Spieler in ihren jeweiligen Teams und sammeln in der aktuellen NHL-Saison auch fleißig Scorerpunkte.

Was kann man von den US-Boys erwarten?
In der Defensive verfügt Headcoach Laviolette über eine physisch starke und auch offensiv nicht zu unterschätzende Truppe. Im Angriff wimmelt es nur so vor starken Zwei-Wege Spielern, dafür ist die Anzahl der effektiven Torjäger aber eher beschränkt. Die gegnerischen Mannschaften werden sich gegen die zweikampfstarken US-Boys sicher nicht leicht tun, doch ob die Mannschaft den nötigen Punch in der Offensive entwickeln kann bleibt abzuwarten.
Die größten Sorgen bereiten dem Headcoach aber sicher seine drei Torhüter. Bis zum ersten Spiel gegen Lettland am 15.02.2006 hat Laviolette noch Zeit einen geeigneten Kandidaten auszuwählen. Hätte er, wie bei seinen Carolina Hurricanes, einen Martin Gerber zur Auswahl würde sich diese Frage erübrigen.
Wenn sich die USA allerdings auf einen guten Torhüter verlassen können und die Stürmer ähnliche Leistungen wie bei ihren NHL-Klubs bringen könnte das US-Team durchaus ins Semifinale aufsteigen. Wenn es bei den Amerikanern einmal gut läuft ist dem Team einiges zuzutrauen. Für die Goldmedaille wird sich allerdings das „Miracle on Ice“ wiederholen müssen, doch wie wir wissen ist für die US-Boys seit Lake Placid 1980 alles möglich. Wir wünschen viel Glück, denn das werden sie mit Sicherheit benötigen.

2 comments:

Anonymous said...

Guter Artikel-auch der über die Russen-gehst morgen Caps-Bulls?

Anonymous said...

niki