(Eishockey World, Juni/Juli 2005)
Wir befinden uns im Jahre 2005 n. Chr. Ganz Italien ist vom Fußball besetzt… Ganz Italien? Nein! Ein von unbeugsamen Eishockeyvereinen bevölkertes kleines Gebiet, am nördlichen Rand des Stiefels, hört nicht auf Widerstand zu leisten. Seit jeher beschränkt sich Eishockey in Italien auf den bergigen Norden. Der Eishockeysport ist in den landesweiten Medien praktisch nicht präsent, doch in den nördlichen Städten der Traditionsklubs boomt dafür die regionale Berichterstattung. Der heurige Spielausfall in der NHL trug dazu bei, dass unzähligen NHL-Profis in der italienischen Liga für Furore sorgten und der 71 Auflage der Serie „A“ die qualitativ beste Spielzeit seit Jahren bescherten.
Hockey su ghiaccio in bella Italia hat in ausgesuchten Gebieten einen sehr hohen Stellenwert – und das nicht erst seit dem A-Gruppen Aufstieg des Nationalteams beim heurigen Division 1 Turnier in Eindhoven. Pittsburgh Penguins Stürmer Rico Fata über seine Erfahrungen nach einer Saison beim HC Asiago: „Der größte Unterschied hier besteht in der größeren Eisfläche. Hier hast du mehr Platz auf dem Eis und mehr Zeit zu denken. Aber in der Kabine läuft es gleich ab wie in Pittsburgh. Vielleicht hast du weniger Platz zum Umziehen und weniger Equipment, aber du findest hier Leute die Eishockey leben, denken, sprechen und essen.“
Bis auf den Sportivo Hockey Club aus Fassa, der bis zum zwölften Spieltag die Tabellenführung innehatte, bestimmten heuer vor allem die Mannschaften aus Mailand und Cortina das Geschehen. Den Scudetto errang am Ende der HC Juniors Milano Vipers. In einer hart umkämpften Finalserie besiegten die Mailänder vor Heimpublikum, den SG Cortina im siebenten und entscheidenden Finalspiel mit 4:1. Überraschend kommt der vierte Meistertitel in Folge für die Milanesi allerdings nicht. Das Team von Trainer Legende Adolf Insam beherrschte den Grunddurchgang souverän, überrollte in Viertel- und Semifinalserie den jeweiligen Gegner mit 4:0 Siegen und sicherte sich darüber hinaus auch noch den heurigen Coppa Italia. Maßgeblichen Anteil an dieser so erfolgreichen Spielzeit hatten vor allem die NHL-Verstärkungen der Vipers. Montreal Flügelstürmer Niklas Sundstrom, Craig Adams von den Carolina Hurricanes und Rob DiMaio von den Dallas Stars stellten, besonders in der entscheidenden Phase der Meisterschaft, ihr Können eindrucksvoll unter Beweis. Craig Adams über sein Jahr in der Serie „A“: „Es war alles andere als ein verschwendetes Jahr. Als ich für Mailand unterschrieb wusste ich nicht was mich erwartet, doch ich wurde in jeder Beziehung positiv überrascht. Die Fans hier waren großartig und für meine Familie und mich war es ein unvergessliches Jahr.“
Auch beim Finalgegner Sportivi Ghiaccio Cortina kann man nach der abgelaufenen Saison durchaus zufrieden sein, hatte man doch, mit Center Matt Cullen, den herausragenden Akteur in eigenen Reihen. 35 Treffer in 54 Spielen brachten dem Carolina Hurricanes Stürmer die Torjägerkrone und mit 82 Scorerpunkten wurde Cullen auch noch Punktebester Spieler der gesamten Serie „A“. Seinem Engagement im traditionsreichen Wintersportort kann der 28jährige nur Positives abgewinnen. „Ich kann leider nicht Skifahren, weil ich im Winter die ganze Zeit immer nur Eishockey gespielt habe. Trotzdem bin ich sehr glücklich hier. Es ist einer der schönsten Plätze der Welt“. Seine Monatsgage von 7.930 US Dollar fiel, im Vergleich zu den 1,75 Millionen die er letzte Saison bei den Florida Panthers kassierte, eher bescheiden aus. Neben Cullen, der auch das Team USA bei der WM in Österreich verstärkte, konnte man sich in Cortina d’ Ampezzo vor allem auf die großartigen Saves von Torhüter François Gravel verlassen. Der Frankokanadier stellte, mit einer Fangquote von 93,51%, einem GAA von 1,90 und seinen 14 Zwei-Minuten-Strafen, die restlichen Keeper der Liga klar in seinen Schatten.
Eher enttäuschend verlief die Saison für die Traditionsvereine aus Asiago und Bozen. Von Beginn weg konnten man gegen die Mannschaften aus Mailand und Cortina wenig ausrichten. Auch die Aufwertung der jeweiligen Kader mit NHL-Spielern, während der Saison, konnte die Vormachtstellung von Mailand und Cortina nicht brechen. Im Semifinale war dann für beide Traditionsvereine Endstation. Unvergessen bleibt allerdings das Aufeinandertreffen von Asiago und Bozen am 28.12.2004. Erstmals in der Geschichte des italienischen Eishockeysports gaben sich sieben Mitglieder der NHLPA ein Stelldichein auf italienischem Eis. Neben den Angreifern Rico Fata (Pittsburgh Penguins) und Fernando Pisano (Edmonton Oilers) streiften sich noch Stephane Quintal (letzte Saison in Montreal, jetzt LA) und der dreifache Stanley Cup Gewinner Mathieu Dandenault (Detroit Red Wings) das Trikot der Löwen aus Asiago über. Auf Seite der Bozener standen mit Eric Belanger (LA Kings), Daron Quint (Chicago Black Hawks) und Peter Schaefer (Ottawa Senators), drei weitere NHL-Spieler auf dem Eis des Stadio Odegar in Asiago.
Dass sich der HC Bozen heuer nur mit dem vierten Platz begnügen musste führen einige Fans auf den nicht vorhandenen Einsatzwillen und Teamgeist ihrer NHL-Profis zurück. Expertenmeinungen zufolge galt Eric Belanger zwar als bester Spieler, den der Verein in den letzten Jahren unter Vertrag hatte, doch seine Eigensinnigkeit und fehlende Defensivarbeit enttäuschten die Fans in der Bozener Eiswelle schwer. Einziger Erfolg für den Serienmeister der 90er: Der belanglose Supercoppa Italiana (Meister gegen Cupsieger) im September.Schon im Viertelfinale strauchelte der HC Bozen und musste gegen den AS Mastini Varese über sechs Spiele gehen. Auffallend im Team von Varese: Der mittlerweile 40jährige Maurizio Mansi und natürlich Phoenix Coyotes Spieler Jason Chimera.Für einen anderen NHL-Profi endete die Saison tragisch. Pittsburgh Penguins Stürmer Ryan Malone, der nach dem Viertelfinalausscheiden mit dem SV Renon Ritten, zum Schweizer Nati A Club Ambri Piotta wechselte, wurde während eines Trainings von einem Puck im Gesicht getroffen. Er verlor dabei zahlreiche Zähne und wurde am Kiefer notoperiert.
Der HC Alleghe, mit L.A.- Kings Verteidiger Jason Holland (Anfang Dezember, zu den Manchester Monarchs in die AHL), sicherte sich in den Play Out Spielen gegen den HC Torino den Klassenerhalt und machte dadurch Mailand wieder zur südlichsten Stadt der Serie „A“. Mit Serie „B“- Aufsteiger Strezing Broncos freuen sich vor allem die Südtiroler Vereine - zusätzliche Derbies und nur eine lange Auswärtsfahrt. Diese führt allerdings, wie schon in den Jahren zuvor, zum regierenden Meister nach Mailand.
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